Werbeagenturen, Webdesign und Glaubwürdigkeit

Werbeagenturen WebdesignBereits 2003/2004 verfasste mein Kollege Rainer Kersten die Streitschrift „Warum können Werbeagenturen keine guten WWW-Seiten schreiben?“ [1] sowie die köstliche Satire „Der Suchmaschinen-Robot und der Webdesigner“ [2]. Hat sich das Bild mehr als drei Jahre später geändert?

Für einen subjektiven Blick auf dieses Themenfeld wähle ich zwei Bereiche: Die suchmaschinen-freundliche Gestaltung von Webseiten sowie die Nutzung der Instrumentarien des World Wide Web wie Blogs und Foren.

Du kommst hier net rein

Als Mitglied eines Business-Netzwerkes baten mich in den letzten Wochen drei Unternehmerinnen, einen Blick auf Ihre Internetseiten zu werfen. Das Ergebnis war niederschmetternd. Bei Fall Nr. 1 war die gesamte Seite komplett in Flash realisiert. Bekanntlich mag Google aber kein Flash. Insofern existierte die Seite mit Ausnahme der Domain überhaupt nicht. Sicher, man kann mit Flash schöne Dinge machen. Aber für ein Unternehmen oder Selbständige sollte es Tabu sein, wenn die Navigation oder die komplette Seite mit Flash realisiert ist – schließlich handelt es sich hier um eine Dienstleisterin auf der Suche nach Kunden und nicht um einen weltweit bekannten Künstler wie Lenny Kravitz [3], der sich sogar einen Alterscheck als Intro leisten kann.

Fall Nr. 2 war ebenfalls eine optisch sehr ansprechende Website. Doch startete sie mit einer speziellen, in JavaScript codierten Sprachauswahl, deren Aufbau jeglichen Usability-Regeln widerspricht und manchen menschlichen Besucher in die Verzweiflung treiben dürfte. Und: Google mag auch keine in JavaScript kodierten Links. Und selbst wenn: Als nächstes wäre ein Flash-Intro als zweite Hürde gekommen. Keine Chance.

 

Der krönende Abschluss ist Fall Nr. 3, in dem es um den Relaunch einer Website geht. Zufälligerweise handelte es sich um eine Unternehmerin mit einer Vergangenheit als Online-Redakteurin. Aufgrund ihres technischen Verständnisses und ihrer Kompetenzen verlangte sie von der Agentur den Einsatz eines Content Management Systems. Was geschah? Die Vertreter der Agentur versuchten der Kundin massiv von einem CMS abzuraten und wollten die Seite unbedingt in Flash realisieren. Einwände der Kundin aufgrund meines kleinen privaten Briefings wurden mit dem Spruch „Keine Angst, die Seite wird auch für Google optimiert, wir fügen nämlich Meta Keywords ein“ abgetan. Bis heute hat sich nämlich bei diesen Agenturen noch nicht herum gesprochen, dass Google genau diese Angaben ignoriert. Und ja, die Seite prunkt heute für teuer Geld in Flash und ist via Google im Grunde unauffindbar.


Angesichts der weiterhin bestehenden Flash-Manie stellen sich die Fragen:

  • Können viele Werbeagenturen nichts anderes als Flash?
  • Bestehen sie auf Flash, weil der Kunde dadurch abhängig wird von ihnen hinsichtlich der Betreuung und von Aktualisierungen seiner Website?
  • Setzen diese Agenturen weiterhin auf den Faktor der Beeindruckung, die eine Flash-Seite beim Kunden garantiert?
  • Oder ist es einfach die Ignoranz von Kundenbedürfnissen, deren Erfüllung einer persönlichen Befriedigung hinsichtlich des Auslebens kreativer Neigungen untergeordnet wird?

Mir bleibt nur die Hoffnung, dass diese drei Beispiele kein Symptom für die gesamte Branche sind. Ich bin sicher, es muss da draußen auch Werbe- und PR-Agenturen geben, die einen guten Job im Interesse des Kunden machen. Doch viele Surfaktionen zeigen, dass auch weiterhin Flash, Frames und andere suchmaschinen-feindliche Techniken verbreitet zu sein scheinen.

Aus meiner Sicht und der einiger Kollegen sollte bei der Erstellung von Webseiten durch Agenturen ein wichtiges Prinzip zum Tragen kommen, um bei Kunden, für die eine Präsenz bei Google & Co. essentiell ist, genau dies zu gewährleisten:

Die Koordination eines Website-Teams auf Grafikern, Programmieren und Textern muss von einem Menschen gestaltet werden, der Kompetenzen in Sachen Suchmaschinen-Optimierung vorzuweisen hat. Die letztendlichen Entscheidungen in Fragen, welche die Realisierung der Website betreffen, muss beim SEO liegen!

Mag sein, dass sich bei vielen Art DirektorInnen angesichts solch provokanter Aussagen massive Widerstände melden. Doch meine Erfahrungen zeigen immer öfter, dass genau hier ein blinder Fleck vieler Agenturen liegt. Angesichts zunehmender Nutzung von Suchmaschinen und ihrer Ergebnisse für die Entscheidungsfindung hinsichtlich dem Erwerb von Produkten und Dienstleistungen sind solche Überlegungen aus meiner Sicht überlebensnotwendig.

Wer hat Web Credibility im Blut?

Der Bereich der Suchmaschinen-Optimierung betrifft auch Foren und Blogs. Und auch hier begegnen wir wieder Werbeagenturen. Schließlich hat sich die Macht der Communities dort herumgesprochen. Aber auch hier werden grundsätzliche Regeln und Mechanismen gern missachtet. Ging es oben um die Technik, liegt hier der Fokus auf der Glaubwürdigkeit [4].

Wenn eine Firma ihre Internetpräsenz durch ein Blog unterstützen möchte, frage ich: Sind Sie bereit, offen und ehrlich zu kommunizieren? Sind Sie bereit,  konstruktiv mit möglicher Kritik umzugehen? Wenn nicht, schreiben Sie einfach nur Content. Die überwiegende Anzahl der User dürfte es leid sein, ständig nur Werbesprüche zu hören. „Wir sind die Besten, Schönsten, Tollsten“ hat keinerlei Informationsgehalt.

Zudem wird Immer öfter versucht, die Mechanismen der Blogger-Community zu missbrauchen. So werden Kampagnen mit inszenierten Blogs und erfundenen Charakteren gestartet. Früher oder später wird ein solcher Betrug entdeckt mit massiven Schäden für das Image des Unternehmens, das dahinter steht. Manch einer mag nach dem Motto leben „Besser schlechte Publicity als gar keine“. Doch ich bin der Ansicht, dass solche Kampagnen nur von Menschen koordiniert werden sollten, die genau wissen, was man sich in den betreffenden Communities erlauben darf und was nicht. Werber schießen hier gern über das Ziel hinaus.

Der letzte große Fake war die „technosexuelle“ Kampagne für ein neues Parfum von Calvin Klein durch eine Frankfurter Agentur [5]. So findet man nun bei Google bei der Suche nach „Calvin Klein“ bereits in den Top10 der Suchergebnisse Hinweis auf jene Marketing-Lügen. Seitdem ist bei mir eine feste Gedankenkette verankert: Wenn ich den Namen jenes Herstellers höre, assoziere ich ihn nicht mehr mit Parfum, sondern mit Verlogenheit. Sollte ich also künftig einmal Duftwasser für jemanden kaufen wollen oder nach einem Rasierwasser Ausschau halten, ist bereits absehbar, was mich vom Kauf welches Produktes abhalten wird. Sollte so das Ergebnis einer Werbekampagne aussehen? [6]

 

Also: Werbetexter sollen schöne Slogans verfassen, Grafiker ansprechende Layouts. Und Flasher gern eindrucksvolle Teilbereiche innerhalb einer zugänglichen Website. Doch Webseiten und Webkampagnen sollten von denen verantwortet werden, welche die geltenden Regeln kennen. Oder wie Kollege Klaus Schallhorn es ausdrückt [7]:

„Nur wenige Automechaniker haben die Qualifikation, kosmetisch attraktive und funktionserhaltende Zahnpflege anzubieten. Kaum ein PC-Anwender bringt seinen PC für Wartung oder Aufrüstung zum Frisör. Dass Firmen, selbst wenn sie Expansionspläne hegen, ihren Webauftritt von Werbeagenturen machen lassen, zeigt, dass jede Regel ihre Ausnahme hat.“

Quellen

[1] Warum können Werbeagenturen keine guten WWW-Seiten schreiben?
[2] Der Suchmaschinen-Robot und der Webdesigner
[3] http://absolutkravitz.com/
[4] Wikipedia: Glaubwürdigkeit
[5] Parfum mit schlechtem Nachgeschmack
[6] Ein positives Gegenbeispiel könnte das Blog von Horst Schlämmer sein – dumm nur, dass es hinter einer Flash-Site und PopUps versteckt ist. Hape Kerkeling sponsored by Volkswagen 🙂 Nachtrag: Auch hier wurde später ein ganz dummer Fehler gemacht, denn Volkswagen (oder auch die Agentur hinter dieser Aktion), gaben die Domain auf. Was ein Irrsinn, eine dermaßen gut verlinkte Seite einfach zu kündigen. Dafür ist sie nun im Besitz irgendeines wachen Kopfes, der von dieser 1a-Linkbaiting-Aktion profitiert.
[7] Klaus Schallhorns Suchmaschinen-Site

Nachtrag:

Spiegel Online schreibt am 14. Mai 2007: „zum anderen sind die Werbetreibenden, die sich eher mit klassischen Medien auskennen, noch immer unerfahren: Was ist das noch mal, so ein Blog? Und wenn sich Werber doch mal in Blogs verirren, dann produziert das oft unerwünschte Effekte – weil sie sich dann und wann schlicht zu dumm anstellen. […] Die Online-Vermarkter stehen unter Handlungsdruck. Irgendwie müssen sie
rein, in diese fremde Welt der Blogs, von der sie so wenig verstehen.“ Die Hervorhebungen im Text von Christoph Seidler lassen sich also schön in einem Satz zusammenfassen: Werbeagenturen kennen sich eher mit klassischen Medien aus, sind hinsichtlich des Netzes meist unerfahren und stellen sich dort gern einmal dumm an. Noch Fragen?

Kommentare (2) Schreibe einen Kommentar

  1. Werbeagenturen kennen sich eher mit klassischen Medien aus, sind hinsichtlich des Netzes meist unerfahren und stellen sich dort gern einmal dumm an. Noch Fragen? ugg boots

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.